Eine Frage des Respekts

Ich bin ja ein gemütliches Kerlchen und meckere wirklich sehr selten öffentlich und motzen tu‘ ich noch viel seltener, aber jetzt ist mir schon zum zweiten Mal in diesem Jahr und zum dritten hintereinander ein Verhalten begegnet, das mich wirklich ankotzt, und bevor ich platze, muss das jetzt raus.

Erster Schauplatz: Offenburger Weihnachtszirkus
Clown Totti hat in diesem Jahr zum ersten Mal alleine durch das Programm führen müssen und soll zum Abschluss zum 15 jährigen Jubiläum noch etwas besonderes, unvergessliches für Anja Oschkinat, der Organisatorin des Offenburger Weihnachtszirkus, machen. Also stellt er alle, wirklich hochklassigen, mitwirkenden Artisten, Dompteure, Clowns und Helfer zum Gruppenfoto vor dem großen Finale auf. Ein schönes Bild.
Doch etwas stört im Augenwinkel – die ersten Zuschauer haben sich von ihren Plätzen erhoben, doch nicht, um zu applaudieren, sondern sie ziehen Jacken und Mäntel an und machen sich auf den Weg zum Ausgang.
Trotz der zurückgenommenen Beleuchtung kann ich erkennen, wie der eine oder andere Artist ihnen irritiert nachsieht und ich teile das Gefühl.

Zweiter Schauplatz: Neujahrskonzert des Schutterwälder Musikvereins
Kulturelles Highlight zum Jahresbeginn ist das Neujahrskonzert in der Schutterwälder Mörburghalle. Gleich vorweg gesagt: Wenn der eine oder andere Großstädter hier vielleicht an Dorfkapelle denkt, sei klargestellt, dass das Orchester des Musikvereins Schutterwald wirklich auf sehr hohem Niveau mitspielt und hier anspruchsvolle Stücke von sehr guten und ambitionierten Musikern geboten werden.
Um so schlimmer, dass es auch hier einige Besucher für nötig halten, noch WÄHREND der ersten Zugabe fast schon holterdipolter den Saal zu verlassen.

Um es klar zu sagen: Ich halte dieses Verhalten für den Gipfel der Respektlosigkeit gegenüber den Künstlern, die, egal ob beruflich als Artist, oder und gerade als Hobbymusiker ihr Engagement und viel Zeit und Arbeit in eine Aufführung für ihr Publikum gesteckt haben.

Ich glaube nicht, dass jeder Künstler „standing ovations“ erwartet, aber sich vor leeren Sitzreihen zu verbeugen, erwartet sicher auch niemand.

Ist es wirklich zu viel verlangt, dem, was die Akteure geleistet haben, so viel Respekt und vielleicht auch Anerkennung entgegenzubringen, dass man auch dann bleibt, bis der Applaus verebbt und die Künstler die Manege oder die Bühne verlassen haben, wenn man an der Garderobe oder an der Parkplatzausfahrt ein paar Minuten länger warten muss? Ich glaube nicht.

Am aller befremdlichsten finde ich es allerdings, dass es sich bei diesen Gelegenheiten immer und zu 99 Prozent um Mitmenschen der Generation im Alter 65+ handelt, die in den meisten Fällen den Respekt sich selbst gegenüber am liebsten pachten würden und den Jüngeren vorwerfen, dass es ihnen an eben jenem mangele.

Gehen wir mit gutem Beispiel voran.

4 thoughts on “Eine Frage des Respekts

  1. Ja, in dem Zirkusprogramm war ich auch und mir ist das auch aufgefallen. Aber, ich bin auch aufgestanden, obwohl noch die Künstler in der Arena standen. Sorry, aber ich war halt froh, dass es vorbei war. Es muss einem ja nicht immer alles gefallen.

  2. Hallo Renate!
    Der Umgang der Menschen miteinander ist generell verbesserungsfähig als auch verbesserungswürdig, das steht außer Frage.
    Ich lese aus Deinem Kommentar den Vorwurf einer Verallgemeinerung heraus – korrigier‘ mich, sollte ich mich irren.
    Allerdings handelt es sich bei der Einordnung am Schluss des Artikels leider um eine konkrete Beobachtung, die in ihrer Ausprägung auch noch über die genannten Beispiele hinaus geht, und nicht um eine pauschale Behauptung, die ich genauso wenig leiden könnte, wie Du.
    Ausnahmen gibt es wie immer in jedem Fall, und dass mangelnder Respekt keine Frage des Alters oder anderer Attribute ist, dürfe jedem klar sein.

  3. Mangelnde Wertschätzung und Respekt haben keinesfalls etwas mit dem Alter, sondern der persönlichen Einstellung zu tun hat. Ich vermisse Wertschätzung Respekt schon seit vielen Jahren. Bei Menschen allen Alters! Bei beiden Geschlechtern und bei unterschiedlichem Bildungsniveau.

    Und was ich gar nicht leiden kann, sind Verallgemeinerungen. Denn die sind auch respektlos, denen gegenüber, die Respekt und Wertschätzung leben. Im täglichen Umgang mit allen Menschen. Egal, wie alt sie sind und welche Herkunft sie haben. In diesem Zusammenhang vermisse ich bei einigen Deutschen den respektvollen Umgang mit Ausländern.

    Beste Grüße
    Renate Blaes

  4. Die Generation 65+ hat für solchen Firlefanz keine Zeit. Bestes Beispiel sind meine Omas. Jenseits der 80, diverse künstliche Gelenke und dementsprechend nicht mehr soooo gut zu Fuß. Die eine fährt anderthalb Stunden mit ihrem Elektromobil durch die Stadt zum Einkaufen, die andere zerrt den Wocheneinkauf eine halbe Stunde bergauf bis zu ihrer Wohnung und ist völlig fertig. Die Erklärung von beiden: „Was soll ich denn fast 15 Minuten auf den blöden Bus warten, da kann ich doch schon mal los!“ – völlig andere Geschichte, aber geht zumindest grob in die Richtung.

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